Weg vom Lehrer als Alleinunterhalter

OZ  03.09.2007
Weg vom Lehrer als Alleinunterhalter

Von Marion Luppen

PÄDAGOGIK Referendare an ostfriesischen Gymnasien probieren neue Unterrichtsmethoden aus

Die Schüler müssen Wissen aktiv erarbeiten : es kann nicht in die Köpfe getrichtert werden. Die Nachwuchskräfte unterrichten von diesem Schuljahr an eigenständig.

Leer - Sie gehen voller Tatendrang in das neue Schuljahr und wollen frischen Wind in die Klassenzimmer bringen: Acht angehende Gymnasiallehrerinnen und -lehrer diskutierten mit der OZ über den Lehrerberuf, nachdem sie sich im Studienseminar Leer auf ihre neue Aufgabe vorbereitet hatten: Von diesem Schuljahr an unterrichten die jungen Männer und Frauen allein : ohne Netz und doppelten Boden. Obwohl sie noch in der Ausbildung sind, gestalten die Referendare den Unterricht selbstständig, lassen Klassenarbeiten und Klausuren schreiben und geben Noten. Die jungen Leute finden das gut. „Man lernt, Verantwortung zu übernehmen“, sagt Rabea Lüdke, die am Ubbo-Emmius-Gymnasium Leer unterrichtet. „Man bekommt die Chance, sich in der Lehrerrolle zu behaupten“, meint Anne Schmiemann (Gymnasium Papenburg).

Professor Dr. Johann Sjuts, Leiter des Studienseminars Leer, warnt allerdings davor, Referendare nur deshalb selbstständig unterrichten zu lassen, damit die Unterrichtsversorgung statistisch stimmt. Grundsätzlich hat Sjuts nichts gegen das selbstständige Arbeiten von Lehramtsanwärtern : solange dies bewusst als Teil der Ausbildung betrachtet wird. Sjuts: „Das Maß muss stimmen.“

Die Referendare wollen weg vom Frontalunterricht. So haben sie es im Studium gelernt. „Die junge Lehrergeneration denkt sehr viel schülerorientierter“, sagt Sven Tolksdorff. Das heißt: Der Lehrer steht nicht als Alleinunterhalter vor der Klasse, um den Schülern Wissen einzutrichtern, sondern die Schüler erarbeiten sich das Wissen durch Eigeninitiative. „Früher dachte man, Wissen könne man wie durch einen Trichter in die Köpfe drücken“, erklärt Sjuts. Lernen sei jedoch Eigenaktivität. „Wissen wird vom Individuum selbst konstruiert.“ Der Lehrer könne dafür nur die Impulse liefern.

Nach Beobachtung der Referendare sind nicht alle Schüler auf Anhieb von den neuen Methoden begeistert. Viele seien es gewohnt, den Lernstoff mundgerecht vom Lehrer serviert zu bekommen, und müssten sich erst an das selbstständige Arbeiten gewöhnen : doch dann funktioniere es. Das Ziel: Die Schüler lernen mit- und voneinander.

Die Referendarin Heike von Ohr, die wie Tolksdorff am Johannes-Althusius-Gymnasium Emden unterrichtet, hat schon ein Jahr eigenverantwortlichen Unterricht hinter sich. Sie berichtet von einer Klasse, die in ihrer Abwesenheit den Französisch-Unterricht selbst in die Hand nahm und sich selbst Lektionen erarbeitete. Der Vertretungslehrer saß nur als Beobachter hinten im Klassenraum.

Die angehenden Lehrerinnen und Lehrer befürchten nicht, von altgedienten Kollegen zu neumodischen Besserwissern abgestempelt zu werden. „Wir gehen ja nicht hin und sagen, wir können alles besser“, sagt Tolksdorff, „sondern wir möchten was ausprobieren.“ Die meisten Kollegen seien offen für neue Methoden und arbeiteten gern mit Referendaren zusammen. Dies sei keine Frage des Alters. Manche Lehrer kurz vor der Pensionierung seien aufgeschlossener als junge Kollegen.