Auf den rhetorischen Spuren von Helmut Schmidt

Als die Frage nach einem guten Redner aufkam, gingen die Meinungen weit auseinander. Von Barack Obama über Willy Brandt bis hin zu Gregor Gysi wurden verschiedenste (politische) Akteure ob ihrer Redegabe gelobt, ehe der Leiter des Rhetorik-Seminars „JUMP! Talk“, Uwe Sanwald, Helmut Schmidt auf seinen Thron des Redevermögens hob. Er begründete seine Auswahl vor allem damit, dass der Altkanzler sich bei einer Frage unglaublich viel Zeit lasse, in der er seine Antwort genau abwäge, bis er auf diese antworte. „Viele Leute hätten in der Zwischenzeit wahrscheinlich schon den Fernseher abgeschaltet, weil sie davon ausgehen, dass Helmut Schmidt wohl eingeschlafen zu sein scheint.“ Die Antwort, die dann aber doch immer irgendwann noch folgt, genüge höchsten Ansprüchen an einen Redner: „Teilweise habe ich Monate gebraucht, um den ganzen Umfang der Antwort zu verstehen.“ Diese Tiefgründigkeit war für die anwesenden Schüler aber eher als zweitrangig anzusehen, für sie spielen bei einem guten Redner Aspekte wie die Authentizität, die Überzeugungskraft, der direkte Publikumskontakt oder das Ausdrucksvermögen eine entscheidendere Rolle.

Im Vordergrund des Vormittages, der von der „Sparkasse LeerWittmund“ und der „Agentur für Arbeit“ gesponsert wurde, stand aber nicht die Kür des ‚besten Redners‘, sondern vielmehr die Berufsorientierung und Rhetorik in diesem Kontext. So musste sich jeder Teilnehmer zu Beginn vor der Gruppe vorstellen, stets bestand bei möglicherweise unklaren Formulierungen die Gefahr der ironischen oder auffordernden Einwürfe des Seminarleiters. So dürfte nach diesem Abschnitt des Vormittags allen klar gewesen sein, im Rahmen eines Vorstellungsgespräches besser nicht vom „Surfen“ als Hobby zu sprechen, schließlich könnte damit auch die endlose Internetnutzung gemeint sein. Genauestes Nachdenken über die eigenen Aussagen war also stets an der Tagesordnung. Im Anschluss wurde die Differenzierung der inhaltlichen Aussage bei unterschiedlicher Betonung verschiedener Wörter des gleichen Satzes vor Augen geführt, auch Mimik und Gestik in Bezug auf die inhaltliche Aussage wurden thematisiert. Das ‚Herzstück‘ des Vormittages bildete aber sicherlich ein Rollenspiel, bei dem acht SchülerInnen in die Situation versetzt wurden, als Filialleitergruppe einer Bank Kriterien für die Einstellung einer weiteren Person mit dieser Tätigkeit erarbeiten und diese anschließend vor dem direkten Vorgesetzten präsentieren und bei Bedarf auch verteidigen zu müssen. Neben dem Spaßfaktor kam durch persönliches Feedback der nicht am Rollenspiel beteiligten Teilnehmer auch der Lerneffekt nicht zu kurz. Insofern darf von einer durchaus gelungenen Veranstaltung gesprochen werden, auch wenn sie wohl nur bedingt dazu beigetragen haben dürfte, Helmut Schmidt und seinen rhetorischen Fähigkeiten näher zu kommen, dafür aber dem möglichen Traumjob?

rhetorik seminar

Aufmerksam lauschen die Gymnasiasten dem gut gelaunten und immer zu einem Scherz aufgelegten Uwe Sanwald

berichtet von Paul B.