Am 6. Februar fand am Ubbo-Emmius-Gymnasium unter dem Titel „Den Lebenden Mahnung und Verpflichtung“ ein Themenabend zum Kriegsende vor 80 Jahren statt.Organisiert wurde dieser vom Seminarfach „Die Geschichte des Ubbo-Emmius-Gymnasiums – Köpfe, Ideen, Schicksale“ unter der Leitung von Astrid Köhler. Die Veranstaltung setzte sich kritisch mit der deutschen und lokalen Erinnerungskultur auseinander und zeigte eindrücklich auf, wie sich unsere Schule im Umfeld des Zweiten Weltkriegs bewegte. Dabei setzten musikalische Beiträge bewegende Akzente. Der Schulchor unter der Leitung von Christian Meyer sang und interpretierte die Trauermotette „Wie liegt die Stadt so wüst“ von Rudolf Mauersberger, basierend auf den Klageliedern des Jeremias, sowie das Lied „Untreue“ nach dem Gedicht „Das zerbrochene Ringlein“ von Eichendorff.
Ehrengäste wie Bürgermeister Claus-Peter Horst, Landtagsabgeordneter Ulf Thiele und Wolfgang Kellner von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Ostfriesland unterstrichen die gesellschaftliche Relevanz der Thematik.
Im ersten Teil der Veranstaltung wurden das Kriegsende und die unmittelbare Nachkriegszeit in der Stadt Leer und der Schule dargestellt. Besondere Aufmerksamkeit erhielt die Schilderung der Besetzung Leers am 1. Mai 1945 und des Lebens unter der kanadischen Besatzungsmacht.
Ein Vergleich zwischen den Jahren 1933 und 1944 hob die tiefgreifenden Veränderungen hervor, die das Schulleben des heutigen Ubbo-Emmius-Gymnasiums im Laufe der NS-Herrschaft durchlief.
Szenische Lesungen von Konferenzbeschlüssen aus dem Jahr 1933 über die sachgemäße Durchführung des Hitlergrußes sowie die Einführung von „Mein Kampf“ und des Parteiprogramms der NSDAP als Standardlektüre im Deutschunterricht gaben einen exemplarischen Einblick in den damaligen Schulalltag und die dogmatische Umgestaltung der Lehrpläne mit dem Ziel, kriegsfähige, ideologietreue Soldaten heranzuziehen.
Für das Jahr 1944 wurde hingegen die Ausdünnung der Abiturjahrgänge als Kriegsfolge beleuchtet – so legten nur zwei von 41 Schülern das Abitur ab, die übrigen waren bereits zur Wehrmacht oder als Marinehelfer einberufen.
Zudem wurde auf erschreckende Weise die Fruchtbarkeit der kindlichen und schulischen Indoktrination in dem Aufsatz zum Thema „Worauf gründet sich unsere Überzeugung, daß wir diesen Krieg siegreich beenden werden?“ des Schülers Otto H. deutlich. Dieser war trotz zunehmender militärischer Niederlagen weiterhin von einem Sieg Deutschlands fest überzeugt.
Neben dem mahnenden Charakter der Vorträge formulierten die Schüler:innen des Seminarfachs aber auch Kritik an einer Erinnerungskultur, die sich vorrangig auf die Kriegsopfer fokussiere und dabei die eigene Verantwortung der damaligen Gesellschaft für die Gräueltaten und kriegstreibenden Gründe vernachlässige. Quellenbasierte Erzählungen von täglicher Schikane und lernplanbasierter Demütigung des ehemaligen jüdischen Schülers Abraham Grünberg durch seine Lehrer und einige Mitschüler untermauerten den Beitrag.
Einen weiteren Schwerpunkt stellte die Analyse der „Ehrenbücher“ unserer Schule dar, in denen die Namen ehemaliger Schüler, die im Zweiten Weltkrieg fielen oder vermisst wurden, festgehalten sind. Die statistische Auswertung zeigte, dass die meisten Gefallenen das 30. Lebensjahr nicht erreichten und an der Ostfront fielen.
Anhand des Schicksals des Schülers Hermann Möhlmann, der eigentlich eine Karriere im Schiffsbau anstrebte, aber im Alter von 19 Jahren fiel, wurde aufgezeigt, wie das Regime individuelle Lebensziele durch Kriegswirtschaft und Kriegszwang zerstörte. Der Vergleich mit der eigenen Lebensrealität machte diese Biografie dabei besonders eindrücklich.
Mit einem Plädoyer zur Partizipation an der künftigen Gestaltung der Erinnerungskultur unserer Schule wurde die Vortragsreihe geschlossen. Die Gäste wurden motiviert beim Übergang in die Ausstellung Vorschläge zum Umgang mit den „Ehrenbüchern“ zu entwickeln, die derzeit im Keller des Ubbo-Emmius-Gymnasiums lagern.
Insgesamt bot die Veranstaltung „Den Lebenden Mahnung und Verpflichtung“ einen beeindruckenden Raum für eine kritische Reflexion der deutschen Erinnerungskultur, deren Denkanstöße bei der Betrachtung der anschließenden Ausstellung verschiedener Roll-Ups etwa zum Thema „Neue Heimat – Kalte Schule?“ zu vertiefenden Gesprächen angeregt haben.
Zuletzt bleibt klar: Die Mahnung und Verpflichtung, die sich aus der Erinnerung an den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg ergeben, sind kein bloß historisches Anliegen, sondern gerade heute politisch relevant.